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Reform des Familien- und Familienverfahrensrechts unter Berücksichtigung von häuslicher Gewalt: Empfehlungen des Deutschen Vereins

Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. hat Empfeh­lungen für eine Reform des Familien- und Familien­verfahrens­rechts unter Berück­sichtigung von häus­licher Gewalt veröffent­licht. Die  Empfehlungen richten sich insbesondere an die zuständigen Vertreterinnen und Vertreter des Bundes und der Länder, der Kommunen und Freien Wohlfahrts­pflege.

Eine Reform des Sorge-, Umgangs- und Unterhalts­rechts wird seit einigen Jahren intensiv diskutiert. Nun ist eine Modernisierung des Familien­rechts auch im aktuellen Koalitions­vertrag festgehalten. Der Deutsche Verein weist ausdrücklich darauf hin, dass bei den anstehenden Diskussionen um eine umfassende Reform des Familienrechts und Familien­verfahrens­rechts insbesondere auch auf die Fälle zu schauen ist, in denen aus unter­schied­lichen Gründen die gemein­same Wahr­nehmung der elter­lichen Verant­wortung nicht im Sinne des Kindes­wohls ist oder nicht verwirk­licht werden kann. Dabei ist vor allem die Situation von Eltern­teilen, die von häus­licher Gewalt betroffen sind, und deren Kinder in den Blick zu nehmen.

In der deutlichen Mehrzahl der angezeigten Fälle von häuslicher Gewalt sind die Opfer weiblich. Häufig handelt es sich bei häuslicher Gewalt auch um geschlechts­spezifische Gewalt.

Bereits in den Empfehlungen zur Reform des Sorge-, Umgangs- und Unter­halts­rechts aus November 2020 hat der Deutsche Verein darauf hingewiesen, dass die Lebens­wirklich­keiten getrennt lebender Eltern, die Erkennt­nisse zur Scheidungs­kinder­forschung, welche auch die Nachteile erzwungener Kontakte beschreiben, die Ergebnisse der Evaluation des Gesetzes über das Verfahren in Familien­sachen und in den Angelegen­heiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) sowie die Istanbul-Konvention (IK) in die Reform­über­legungen einzubeziehen sind.

Es wurde insbesondere angemahnt, dass Regelungen zum Umgangs­recht nicht mit Anordnungen zum Gewalt­schutz kollidieren dürfen und geprüft werden sollte, inwieweit Einschrän­kungen der Vermutung der Kindes­wohl­dien­lichkeit des Umgangs bzw. der Ausübung des gemein­samen Sorge­rechts zum Beispiel in Fällen häuslicher Gewalt ausdrücklich in das Gesetz aufzunehmen sind.

Aktuell fehlen in Kindschafts­sachen, sowohl im Verfahrens­recht als auch im materiellen Recht, explizite Regelungen zum Vorgehen bei häuslicher Gewalt. Allerdings sieht § 1631 Abs. 2 BGB vor, dass das Kind "ein Recht auf Pflege und Erziehung unter Ausschluss von Gewalt, körperlichen Bestrafungen, seelischen Verletzungen und anderen entwürdigenden Maßnahmen" hat. § 1666 BGB sieht zudem vor, dass das Familien­gericht Maßnahmen zu treffen hat, die zur Abwendung einer Gefahr für das Kindeswohl erforderlich sind. Der aktuelle Koalitions­vertrag enthält zu diesem Thema Folgendes: "Wenn häusliche Gewalt festgestellt wird, ist dies in einem Umgangsverfahren zwingend zu berücksichtigen."

Inwieweit dies ausreichend ist, um den Gewaltschutz und die Bedarfe der von häuslicher Gewalt betroffenen Personen und deren Kinder angemessen zu berücksichtigen, kann durchaus hinterfragt werden. Welche Maßnahmen aus Sicht des Deutschen Vereins notwendig sind, ist Gegenstand der vorliegenden Empfehlungen. Dabei sind zwingend die jeweiligen personellen, finanziellen und zeitlichen Ressourcen mitzudenken und die Bereitstellung quantitativ und qualitativ angemessener Beratungs- und Unterstützungsangebote sicherzustellen.

Hinzuweisen ist an dieser Stelle auf die Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Absicherung des Hilfesystems für von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffene Mädchen, Frauen und ihre Kinder.

Die vollständige Empfehlung / Stellungnahme vom 20. September 2022 steht auf der Website des Deutschen Vereins zum Download zur Verfügung.