Weiter zum Inhalt

Kindeswohlgefähr­dung 2019

Die Jugendämter in Deutschland haben im Jahr 2019 mit rund 55.500 Kindeswohlgefährdungen das zweite Mal in Folge 10 Prozent mehr Fälle festgestellt als im jeweiligen Vorjahr. Eine neue Auswertung des Statistischen Bundesamtes (Destatis) zeigt nun, dass in jedem fünften Fall von Kindeswohlgefährdung (20 Prozent) mehrere Gefährdungsarten gleichzeitig vorlagen. Im Jahr 2019 betraf das rund 11.200 Kinder und Jugendliche. Zu den vier Gefährdungsarten zählten dabei – neben psychischen und körperlichen Misshandlungen – noch Vernachlässigungen und sexuelle Gewalt.

In 17 Prozent aller Fälle von Kindeswohlgefährdung hatten die Behörden zwei verschiedene Gefährdungsarten festgestellt, in 3 Prozent waren es drei und in 0,2 Prozent der Fälle lagen sogar alle vier Gefährdungsarten vor. Am häufigsten hatten die mehrfach betroffenen Jungen oder Mädchen sowohl Vernachlässigungen als auch psychische Misshandlungen erlebt (6 Prozent aller Fälle von Kindeswohlgefährdung). Die zweithäufigste Kombination bildeten 2019 psychische und körperliche Misshandlungen (ebenfalls 6 Prozent). An dritter Stelle stand die Kombination aus Vernachlässigung und körperlicher Misshandlung (4 Prozent).

Gut vier Fünftel (81 Prozent) der Mehrfachbetroffenen waren Kinder unter 14 Jahren, knapp ein Fünftel Jugendliche von 14 bis 18 Jahren. Dabei waren die mehrfach betroffenen Mädchen und Jungen tendenziell etwas älter als der Durchschnitt aller Betroffenen. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der mehrfach betroffenen Kinder und Jugendlichen überdurchschnittlich gestiegen – und zwar um 15 Prozent (Durchschnitt: +10 Prozent).

Mit der Zahl der Gefährdungsarten steigt der Anteil der Inobhutnahmen und der Anrufungen der Familiengerichte
Mit der Zahl der Gefährdungsarten steigt auch der Anteil der Minderjährigen, die nach der Feststellung der Kindeswohlgefährdung zu ihrem Schutz in Obhut genommen wurden: Während dies in den Fällen mit einer Gefährdungsart auf 14 Prozent der Kinder und Jugendlichen zutraf, waren es bei zwei Arten 22 Prozent, bei drei Arten 27 Prozent und bei allen vier Arten 40 Prozent.

Noch ausgeprägter war dieser Zusammenhang bei den Anrufungen des Familiengerichts: Familiengerichte werden vom Jugendamt immer dann eingeschaltet, wenn der Kinderschutz durch mildere Mittel nicht (wieder) hergestellt werden kann. Die neuen Ergebnisse zeigen, dass das Familiengericht bei einer Gefährdungsart in 18 Prozent der Fälle angerufen wurde. Bei zwei Gefährdungsarten traf dies auf 28 Prozent, bei drei Arten auf 38 Prozent und bei allen vier Gefährdungsarten auf 54 Prozent der betroffenen Kinder und Jugendlichen zu. Damit lag dieser Anteil dreimal so hoch wie bei den Fällen mit einer Gefährdungsart.

Weitere Informationen
Eine (akute oder latente) Kindeswohlgefährdung liegt vor, wenn eine erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls eines Kindes unmittelbar droht oder bereits eingetreten ist. In Verdachtsfällen sind die Jugendämter verpflichtet, im Rahmen einer Gefährdungseinschätzung (nach § 8a SGB VIII) das Gefährdungsrisiko und den Hilfebedarf abzuschätzen und der Gefährdung entgegenzuwirken. Dazu zählen in der Regel auch ein Hausbesuch und die Erörterung der Problemsituation mit dem Kind und – sofern dies dem Kinderschutz nicht widerspricht – den Sorgeberechtigten. Im Zweifel kann der Kinderschutz auch gegen den Willen der Sorgeberechtigten durch ein Familiengericht durchgesetzt werden.

Ausführliche Angaben der Statistik stehen in der Datenbank GENESIS-Online unter "Gefährdungseinschätzungen" (Genesis Tabellen 22518) und in der Pressemitteilung Nr. 328 vom 27. August 2020 bereit. Weiterführende Ergebnisse zum Kinderschutz und andere Ergebnisse der Kinder- und Jugendhilfestatistiken befinden sich auf der Themenseite. Der Kinderschutz ist Bestandteil der Nachhaltigkeitsstrategie der Vereinten Nationen und wird im Monitoring der Agenda 2030 unter anderem im Indikator 16.2 aufgegriffen.

Pressemitteilung von Destatis, 06.01.2021