Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die zuhause Gewalt (mit-)erleben, leiden oft still und lange. Die Erziehungsberatungsstelle Lüchow-Dannenberg will das sichtbar machen und lädt mit Lesungen ein zum Zuhören, Verstehen und ins Gespräch kommen.
Die schiere Vielzahl der Bedingungen, die bei Hilfen oder Unterstützung Betroffener beachtet werden müssen – Privatsphäre der Familie, Schweigepflichten, Elternrechte etc. – ist sehr aufwändig und macht das Umfeld hilflos. Deshalb vermeiden viele Menschen das Gespräch, die Auseinandersetzung oder das Angebot von Hilfe. Die Fachstelle Kinder- und Jugendschutz des Landkreises Lüchow-Dannenberg und die Erziehungsberatungsstelle möchten dieses Thema gemeinsam aufgreifen und öffentlich machen. Gerade weil das Thema so schwer greifbar ist, ist es essenziell, verschiedene Ansätze im Umgang mit dieser Gewalt zu erproben. Ein möglicher Weg führt über die Auseinandersetzung mit Geschichten. Literatur kann Beispiele für anderes Denken und Handeln beschreiben. Darüber sprechen, lässt eine Brücke in den Alltag schlagen. Die Fachstelle Kinder- und Jugendschutz und die Erziehungsberatungsstelle haben deshalb eine thematische Lesereise organisiert, die über die Auseinandersetzung mit Geschichten Zugang zum Thema bietet. Die Lesereise findet an verschiedenen ausgewählten Orten im Landkreis statt, damit alle Interessierten, Angehörigen und Betroffenen die Möglichkeit haben, auf kurzem Weg an der Lesung teilzunehmen. Die Veranstaltungen sind kostenlos, eine Anmeldung ist nicht nötig. Die Lesungen finden jeweils 19 Uhr in Neu Darchau, Dannenberg, Lüchow, Clenze, Zernien, Gartow und Hitzacker statt.
Hintergrund
Gewalt in der Partnerschaft betrifft nicht nur Frauen oder Männer, sondern gefährdet immer auch Kinder und Jugendliche, wenn sie in solche Dynamiken involviert sind. In diesen Fällen bedeutet das eine Gefährdung des Kindeswohls. Wenn Streit, Drohungen, Angst und Schläge den Alltag von Kindern und Jugendlichen bestimmen, lässt dies das eigene Zuhause als unsicher erscheinen. Diese Erfahrungen hinterlassen Spuren in ihrer Persönlichkeitsentwicklung. Das Miterleben von Gewalt bleibt nie ohne Auswirkungen. Kinder sind nicht nur Zeugen, sondern immer auch Opfer. Erfahrungen mit Partnerschaftsgewalt stellen emotionale, soziale und kognitive Entwicklungsrisiken dar und sind hochbelastend für Kinder, da Kinder die Anspannung und den Stress stärker wahrnehmen. Auch wenn Kinder oft nicht direkt dabei sind, sehen, hören und fühlen sehr gut, was zwischen ihren Eltern vor sich geht. Die Auswirkungen sind hierbei vielfältig. So haben Kinder, die Partnerschaftsgewalt miterleben, ein höheres Risiko für posttraumatische Belastungsstörungen, für aggressives Verhalten, für Entwicklungsstörungen oder für Schwierigkeiten im Umgang mit Gleichaltrigen und für Angstzustände, wobei Kinder Ängste bis hin zur Todesangst entwickeln können. Angst, Verzweiflung und Unsicherheit sind dabei normale Reaktionen. Bereits für sehr kleine Kinder und sogar im vorgeburtlichen Stadium stellt das Miterleben von Gewalt Entwicklungsrisiken dar. Je kleiner Kinder sind, umso intensiver erleben sie eine körperliche Bedrohung, denn Kinder nehmen Bedrohungen gegenüber der Mutter, auf Grund ihrer Abhängigkeit von der Mutter, auch als Bedrohung gegen sich selbst wahr. Meist noch schlimmer als die körperliche Bedrohung. Bei betroffenen Kindern besteht die Gefahr, dass erlebte Gewaltmuster in die eigenen Beziehungen übernommen werden. Oft neigen sie häufiger zum Drogenmissbrauch und werden häufig selbst Opfer von Gewalt. Diese negativen Auswirkungen von miterlebter Gewalt auf die Entwicklung und das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen wurde in zahlreichen Studien belegt. Wenn Kinder und Jugendliche in einem Umfeld aufwachsen, in dem Gewalt und Aggression zwischen den Eltern oder Partnern herrschen, können sie langfristige psychische und emotionale Schäden davontragen.